Was, schon wieder August?

Einstein, alter Fuchs, du hast es gewusst: Zeit ist keine absolute Größe, sie läuft für bewegte Körper langsamer als für ruhende (aus der Perspektive eines äußeren Beobachters). Ein ähnliches Phänomen, wenn auch mit völlig anderem Hintergrund, begegnet uns im Laufe des Schuljahres. Ich nenne es die schulsaisonale Zeitdilatation, oder, mit einfachen Worten: Je nachdem, an welcher Stelle im Schulkalender wir uns befinden, läuft die Zeit mal schneller, mal langsamer ab.

Als grundlegendes Phänomen lässt sich dabei die ferienabhängige Akzeleration beobachten: Oster-, Herbst-, Weihnachts-, selbst unendlich scheinende Sommerferien rauschen nur so durch. Gerade ist man runtergekommen und hat den inneren Motor irgendwo zwischen Standgas und erstem Gang eingetaktet, schon schaltet die Arbeitsampel wieder auf Grün und man fummelt hektisch an der Gangschaltung, weil hinter einem schon die ersten zu hupen beginnen.

Mit Beginn des Schuljahres dehnt sich die Zeit dann plötzlich ins Unermessliche: Noch eine Vorbereitungskonferenz, noch eine neue Lerngruppe, noch mehr neue Gesichter – wann ist die erste Woche denn endlich vorbei? Zäh dehnen sich die Stunden, weil die Schülerschaft noch im Ferienmodus ist (hinter denen hupt seltsamerweise niemand) und man ertappt sich schon Ende August dabei, auf den Ferienkalender zu schielen.

Nach den Herbstferien steht dann aber auch gleich Weihnachten vor der Tür und ruck zuck sind die Testpläne voll. Die zweite Unterrichtseinheit vergeht wie im Flug und ehe man sich’s versieht, sitzt man bei Lebkuchen und Spekulatius und packt Wichtelgeschenke aus. Der Januar verfliegt dann ähnlich schnell, weil ja schon die Ersthalbjahreslernentwicklungsberichte festgezurrt werden müssen.

Erst mit dem Februar kommt so etwas wie Normalität auf: Eingearbeitete Schülerinnen und Schüler, denen noch die Ermahnungen der LEBs im Ohr nachhallen, eine neue Unterrichtseinheit und jede Menge Zeit. Dann aber, Ende März zieht ein Sturm auf, der nach den Osterferien an Fahrt aufnimmt. Ähnlich wie bei einem Abfluss, bei dem man auch das Gefühl hat, dass das Wasser ganz zum Schluss hin schneller abläuft, fließt das Schuljahr nun nur noch dahin: Abitur, Abschlussprüfungen, letzte Klausuren, Konferenzen, LEBs, schnell noch die eine oder andere Kompetenz abtesten, ein paar Mappen überfliegen und einige Hausaufgaben einsammeln und natürlich Korrekturen, bis der Füller glüht.

Die vielen Feier- und Studientage bieten kaum Erholung, weil einem die Zeit im Nacken sitzt – im Gegenteil, man sieht seine Lerngruppen kaum noch, müsste aber dringend Julias Referat oder Heikos Präsentation der Gruppenarbeit noch hören. Die soziale Interaktion innerhalb des Kollegiums schrumpft auf ein Minimum und findet hauptsächlich im Rahmen von Prüfungsgesprächen und Auseinandersetzungen über Abschlussnotengebung und Abiturgutachten statt. Alles beschleunigt, alles drängt auf das Ende hin, alles kulminiert im Punkt der Eintragung der Endnoten. 

Und dann steht plötzlich die Zeit still.

Der innere Motor läuft noch auf fünftausend Umdrehungen, aber im Leerlauf. Wohin mit der Energie? Unterricht? Klar, sicher, aber was denn? Die Bücher sind abgegeben, alle Schülermotivierungsversuche laufen ins Leere („Das zählt jetzt alles schon fürs nächste Schuljahr!!“), wie in einem Fußballspiel beim Stand von 7:1 wartet man nur noch, bis die Uhr heruntergelaufen ist. Es ist die Zeit des Filmeguckens, des Frühstückens und des Spielespielens – aber bitte keine Exkursionen, es soll doch kein Unterricht ausfallen!

Dann aber ist der letzte Schultag gekommen, das letzte Zeugnis ausgehändigt und die letzte Hand geschüttelt. Das ist der Moment, in dem man auf Stopp drückt. Motor aus. Augen zu. Keine Zeit für gar nichts.