Knietief steht der Held in Blut und Schweiß, in jeder Hand eine WAFFE, die man nur in Großbuchstaben schreiben kann, während hinter ihm die Verbündeten zögerlich zurückweichen, vor ihm aber die Feinde in Überzahl vorrücken. Sein baldiges Ende vor Augen, raunzt der Held über die Schulter seinen Freunden zu: „Na los! Verschwindet! Ich kümmere mich um das Pack hier!“

Unzählige Male haben wir solche Szenen in Hollywoodfilmen gesehen. Und – wer hat’s erfunden? Die Römer! Horatius Cocles, der Schwarzenegger der Antike, verteidigt die Tiberbrücke nach Rom gegen die angreifenden Etrusker und lässt sogar die Brücke hinter sich abreißen, während er „sich um das Pack kümmert“. Zur Belohnung wird er beim Sprung in den Tiber von den Göttern gerettet und findet über Jahrunderte Eingang in Klein Quintus‘ und Cornelias Gutenachtgeschichten.

Ein Anlass, um mit Schülerinnen und Schülern über das Thema „Vorbilder“ oder „Idole“ zu sprechen. Gleich zu Beginn eine didaktische Bruchlandung: Mit dem Wort Vorbilder kann die Jugend nichts mehr anfangen, impliziert es doch einen bestimmten Nachahmungswert, das Auch-so-sein-Wollen. Viel zu verbindlich. Man ist da gechillter, spricht eher von „Typen, die cool drauf sind“. Also gut: Antizipation. Was könnte denn da genannt werden? Sportler? Musiker? Künstler? Schriftsteller? Gar Wissenschaftler? Am Ende vielleicht sogar Familienangehörige?

Weit gefehlt. Ihr müsst jetzt ganz tapfer sein. Die Idole der Generation Hashtag sind Comicfiguren und Youtuber. Genauer gesagt Leute, die ein Videospiel spielen, dies dabei kommentieren und damit Millionen verdienen. Und ich spreche nicht von türkischer Lira. Ich will nicht großväterlich klingen, aber: Whaaaaaat?! Als ich das zum ersten Mal gehört habe, starb etwas in mir. Wahrscheinlich war es mein Hauptargument gegen zuviel PC-Spielerei statt Anfertigung schulischer Pflichtaufgaben: „Mit Computerspielen kannst du später kein Geld verdienen, lern besser etwas Vernünftiges!“ Und jetzt die Bankrotterklärung menschlicher Charakterwerte! Früher der Ehrgeiz eines Franz Beckenbauer, die Wandelbarkeit einer Madonna, der Genius eines Albert Einstein – jetzt die schiere Masse der Legionen von Kanalabonnenten eines PewDiePie. Das Ganze geht so weit, dass konventionell berühmt gewordene Personen gar nicht mehr als solche wahrgenommen werden: Berühmt kann nur sein, wer einen Youtube-Kanal betreibt, so der Tenor einer Spielrunde „Wer bin ich?“ am Ende der Klassenstunde. Was sind denn die inneren Werte, die die jugendlichen Abonnenten bei ihren Idolen so abfeiern?

Bohrt man hier nach, erhält man Schwammiges wie „irgendwie witzig“, „der disst immer die anderen“, „die ist sexy“, „die flippt immer total aus“. Traurige Botschaft: Du brauchst keine moralisch integre Person mit guten Manieren und Höflichkeit zu sein, wenn du es im Leben zu etwas bringen willst. Denn das ist das Ziel vieler: Anders als früher, als Idole noch unerreichbar irgendwo Richtung Andromedanebel schwebten, kann man sie heute geradezu anfassen – und der Schritt vom Fan zum Idol ist gefühlt nur ein Katzensprung. Berufswunsch: Youtuber. Geh mir weg mit Praktikum und BBS und Berufsgrundjahr – ich werd berühmt von Beruf!

Soll ich mich nun mit Cocles in den Schlaf weinen? Numquam!

Doch in meiner Not springt mir Rolf Dobelli mit seinen Ausführungen über das Survivorship Bias* bei: Hinter jedem Gewinner stehen Millionen von Verlierern, die genauso erfolgreich werden wollten, aber nicht die Fähigkeiten, den guten Riecher oder das Glück des Augenblicks hatten. Die aber sieht man nicht, der Ruhm des Einen überstrahlt sie alle. PewDiePie hat’s geschafft – aber wer jetzt noch versucht, mit sowas reich zu werden, ist einfach nur dämlich. Das erkennt man besser schon früh, wenn Mutter Schule noch da ist und mit offenen Armen all diejenigen wieder empfängt, die da lernen wollen.

Und jetzt – Schluss mit dem Quatsch! Hefte raus!

Pfff! PewDiePie….

* siehe Dobelli, Rolf: Die Kunst des klaren Denkens, S. 5-7.