Wir leben im Zeitalter des Feedbacks. Wie viele Sterne gibst du dieser Aussage?
Längst hat nicht nur die Wirtschaft erkannt, dass eine blind vorantapernde Produktion auf gut Glück meilenweit zurückhängt hinter der modernen, maßgeschneiderten, individualisierten, globalisierten Wirtschaftswelt. Motto: Sag mir, was du magst, und ich sag dir, was du willst. Oder wollen könntest.*
Also sagen wir alle brav, was uns gut, weniger gut und – zur Hölle! – null gefallen hat, und das auch gerne in heiligem Zorn zum wohltuenden Frustabbau: Du lieferst mir eine lauwarme Pizza? Höchststrafe Null Sterne plus Kommentar, der (im Gegensatz zur Pizza) gepfeffert daherkommt!
Die Feedback-Kultur ist natürlich Ausdruck unserer demokratisierten Gesellschaft. Man stelle sich vor, wie Odysseus nach überstandener Odyssee die Fäuste gen Olymp reckt: „Das Navi sagte drei Wochen Fahrtzeit voraus, und wie spät ist es jetzt?! Für das lausige Leitsystem geb ich euch eine von fünf Galeeren! Götter…echt, nie wieder!“ Dafür hätte ihn Zeus wohl in Fünf-Sterne-Geschwindigkeit in den Tartarus verfrachtet. Die antike, mittelalterliche und auch beginnende neuzeitliche Kommunikationsstruktur sah nur Feedback in einer Richtung vor: von oben nach unten. Und das nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch im Bildungsbereich: Tausche Leistung gegen Leistungsrückmeldung, und zwar von genau einer Person.
Irgendwann sah man dann ein, dass auch das Feedback Lernender untereinander einen gewissen pädagogischen Wert hat. Einige Schulformen haben diese auf gegenseitiger Wertschätzung beruhende Rückmeldung, etwa nach gehörtem Referat, in ihre DNA eingebaut, zwei Grundprinzipien folgend: Positiv vor negativ und konstruktiv statt destruktiv. Eigentlich eine gute Sache, die allen Beteiligten nützt, es sei denn, man möchte gezielt einen schlechten Vortrag zeigen (man instruiert natürlich die Referent*innen vorher), auf dass die offenkundigen Fehler vom Plenum auseinandergenommen werden. In diesem Fall (Authentizität verbürgt, Name der Lehrperson ist der Redaktion bekannt) rief das absichtliche Unter-aller-Kanone-Referat dank vorhergehender Konditionierung dennoch erstmal ein „Eigentlich ganz gut“ hervor und das „aber“ ließ etwas auf sich warten. Nun ja. Es bedarf auch schon besonderer charakterlicher Festigkeit oder eines über Jahre gereiften Kursmilieus, dem Mitschüler zu eröffnen, dass die gerade gehörte Präsentation ziemliche Grütze war. Interessant wäre es sicherlich, solche Feedbackrunden ins Digitale zu verlegen, wo ohne Nennung von Klarnamen hemmungslos draufloskritisiert werden darf. Deshalb lieber die direkte Konfrontation.
Anders verhält es sich bei der Bitte um Schülerfeedback zu Unterrichtsaktionen schulinterner oder -externer Personen. Da wird keine didaktische Schwachstelle, kein motivationaler Engpass, kein kommunikativer Fehler ausgelassen. Selig die Drogenberater*innen, Polizist*innen, Museumsführer*innen, die nach erledigtem Job nichts vom gnadenlosen Verriss ihres pädagogischen Programms in der Klassenrunde mitbekommen! Sollte jemals einer von ihnen dieses Fass aufmachen, droht ein Waterloo, nach dem man möglicherweise den Beruf an den Nagel hängen möchte. Ob nun berechtigterweise oder nicht, denn auch wenn das geschulte Pädagog*innenauge auch über manches nicht hinwegsehen konnte – derart vernichtende Kritik verbietet sich schon der Berufsehre wegen.
Die Königsdisziplin des Feedbacks ist natürlich die lehrpersoneninterne Rückmeldung zu Projekten, pädagogischen Konstruktionen und anderen Maßnahmen, die im Zuge einer Gesamtkonferenz oder einer Fortbildung aus der Taufe gehoben wurden. Auch wenn dies eine zeit- und kraftraubende Tätigkeit sein kann, so kann man doch froh sein, dass mittels dieses Werkzeugs so mancher Unsinn rechtzeitig wieder beendet wurde. Iväljuäischen ruling se näischen!
Zum Glück hat noch nie jemand die Frage gestellt, ob die Evaluation einer Maßnahme überhaupt angemessen, geeignet und zielorientiert war. Denn das würde eine Evaluation der Evaluation nach sich ziehen und somit eine Spirale ins Verderben. Und das kann ja auch keiner wollen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, bitte lasst mir ein paar Sterne da!
* Trefflich aufs Korn genommen von Marc-Uwe Kling in „Qualityland“. Ich sag nur: Pinkfarbener Delfinvibrator. „Das System sagt, ich will das, aber ich will das nicht.“