Das Schuljahr ist fast zu Ende, alle Zeugnisse gedruckt, alle Fächer aufgeräumt, es herrscht auf den Fluren und in den Lehrerzimmern eine Mischung aus Altjahreswehmut und hektischer Vorfreude – doch halt: Eine Veranstaltung darf nicht fehlen, ohne sie wäre das Schuljahr nicht vollkommen. Die Rede ist von der offiziellen Verabschiedung der Pensionärinnen und Pensionäre. Ein Panoptikum menschlicher Emotionen am Dienstagnachmittag: Heitere Gelöstheit trifft traurig umherschauende Melancholie, die jahrelang verborgene Faust in der Tasche sitzt neben pflichtschuldigem Stoizismus. Die Musiker auf der Bühne geben ihr Bestes, den festlichen Rahmen mit klassischen Jazzmelodien zusammenzuhalten, während auf den Logen die Ehemaligen und Eigentlich-nie-Weggewesenen ihre Stammplätze einnehmen. Dann wird es ernst. Der Schulleiter hat wie immer das erste Wort und liefert (auch dank umfangreicher Personalakte) eine respektable Zehn-Minuten-Biografie ab, immer gespickt mit Anekdötchen, die das Berufsleben so reich machen. Den schwierigeren Job haben dann im Nachgriff die Fachbereichsleitungen, die wirklich zu bemitleiden sind. Da fallen regelmäßig Floskeln wie „Wir kennen uns ja noch nicht so gut, aber…“ , „Man hat mir zugetragen…“ und natürlich „Es wurde ja schon fast alles gesagt…“. Die Sprachler ziehen sich dabei regelmäßig aus der Affäre, indem sie einfach in ihrer jeweiligen Sprache parlieren oder – oft gesehen im Fall des Faches Deutsch – aus der Literatur zitieren. Getreu dem Motto: Brecht geht immer. Dann der Höhepunkt der Veranstaltung: Der Fachbereichsleiter Gesellschafts-lehre betritt die Bühne. Der einzige Festredner, für den ich Eintritt zahlen würde. Eine meisterhafte Verquickung scharfer Beobachtungen, spitzzüngiger Pointen und herzhaft treffsicherer Charakterisierungen. Fast schon Stand-Up-Comedy, mindestens politisches Kabarett. Ach ja, denke ich, so eine Laudatio hätte ich auch gerne, irgendwann mal. Und bin schon mit den Gedanken beim Sinn dieser Veranstaltung: Geht das überhaupt, so ein ganzes Berufsleben in dreißig Minuten inklusive Großem Zapfenstreich über die Bühne zu bringen? Und wie oft habe ich nach der letzten Rede schon gedacht: Interessanter Kollege, schade eigentlich, dass wir uns so wenig kannten. Jetzt wird wohl keine Gelegenheit mehr dazu sein. Sollte man diese vielen Kolleginnen und Kollegen, mit denen man ein Fünftel jedes Werktages und so manchen Nachmittag verbringt, nicht besser kennenlernen? Warum also nicht mal eine Blitzvorstellung aller Kolleginnen und Kollegen bei der nächsten Geko? Die Redezeit wurde sicherlich schon schlechter genutzt. Oder alternativ: Ein Kurzinterview, bestehend aus nur vier Fragen: 1. Was kannst du nicht, würdest es aber gerne können? Mein Postfach wartet. Und ich freue mich auf die nächste Verabschiedungsfeier. |