Neulich musste ich erfahren, dass ich in einem Vier-Generationen-Haushalt lebe. Das kam so:
Ich selbst gehöre als 1980 Geborener den letzten Vertretern der Generation X an, meine Frau (Geburtsjahr 1981) ist Millennial, unser Sohn, der im Jahr 2011 das Licht der Welt erblickte, gehört der Generation Z an und unsere Tochter aus dem Jahr 2013 der Generation Alpha. Das crazy*, im Alltag aber kaum spürbar. Meistens verbünden sich die beiden Jüngeren gegen uns Alttiere. Nur manchmal wird es mir aufs Brot geschmiert, dass ich als Angehöriger einer anderen (alten) Generation offenbar gar kein Verständnis für die Bedürfnisse der Jugend aufbringen könne. Und ab und zu muss ich mich sogar als Boomer oder boomerig beleidigen lassen. Na Hoppla, ich glaub, mein Hamster bohnert!
Auf der Suche nach identitätsstiftenden und gesellschaftsvereinenden Gruppen ist man in den letzten Jahren irgendwann auf dieses Generationenkonstrukt gestoßen, das vorher überhaupt keine Rolle spielte. Sicher haben wir alle früher mal von der desillusionierten, zukunftsängstlichen Generation X gelesen und in Bevölkerungsstatistiken und kritischen Betrachtungen des Rentensystems tauchten zuverlässig immer die Babyboomer auf, ohne dass damit aber irgendwelche charakterlichen Stereotypen verbunden gewesen wären.
Es ist aber leider abzusehen, dass jede Einteilung der Gesellschaft in verschiedene Gruppen erstmal witzig ist („Welcher Generationstyp bist du?“), bald aber dazu führt, dass diese Gruppen sich voneinander abgrenzen und letztendlich gegeneinander angehen. Man kann nur dafür beten, dass der aktuelle Astrologie-Boom nicht noch weitere Kreise zieht und irgendwann Wassermänner gegen Skorpione auf die Straße gehen (die ich im Verdacht habe, der Bad guy unter den Sternzeichen zu sein, weshalb ich ungern verrate, selbst einer zu sein).

Nun also eskaliert der Kulturkampf der Generationen, wobei wir schon im fortgeschrittenen Stadium sind und die Vielfalt im Prinzip auf nur noch zwei Generationen zusammengeschrumpft ist: Boomer vs. Gen Z. Auf der einen Seite die umweltzerstörenden Wohnmobilisten und Kreuzfahrer, die aus schierer Bosheit uralt werden und dem Rentensystem unnötig lange auf der Tasche liegen, auf der anderen Seite die verwöhnten, arbeitsfaulen und bindungsunfähigen Social-Media-Junkies mit einer Aufmerksamkeitsspanne von Zwölf bis Mittag. In diesen Stellungskrieg wird jeder mit hineingezogen: Entweder du bist lit (sagt man das noch?) oder du bist alt.
Dabei will man sich doch weder schon zum alten Eisen rechnen noch der Jugend zu sehr anbiedern. Vielmehr kann man doch beiden etwas abgewinnen.
Ich schätze z.B. sprachliche Vielfalt und nutze ab und zu noch etwas, naja, abgehangene Redewendungen (was im Prinzip selbst eine abgehangene Redewendung ist), wenn auch vielleicht mit ein bisschen Ironie. Ich zeige immer noch gerne, wo der Hammer hängt, gerate manchmal ins Hintertreffen und glaube manchmal, es hackt. Das liegt mir sprachlich näher als „nice“ oder „yolo“. Trotzdem kann ich mich über Bibi-Blocksberg-Hörspiele beömmeln (noch so ein Wort), in denen alle immer noch sprechen wie 1970: „Nanu, Vater, in der Zeitung steht etwas von einem groben Unfug! Das ist ja sensationell!“
Auf der anderen Seite kann ich mich für Internet-Memes begeistern und habe Respekt vor der Leistung eines Mr. Beast (auch wenn ich auf die schnellen Schnitte in seinen Videos immer noch nicht klarkomme). Und analog zu zu Bibi Blocksberg amüsiere ich mich über Radiomoderatorinnen, die dieses alberne Denglisch (Achtung, Boomer-Kampfbegriff!) sprechen: „Kleiner Reminder für eure Timeline: Ed Sheeran. Sein Songwriting gibt mir totale Throwbacks, fühlt ihr’s auch?“
Anstatt mich also im Schützengraben einzureihen, versuche ich, mir das Beste aus allen Generationen mitzunehmen und den Schrott aus allen Generationen abzustoßen. Ich versuche es zu wertschätzen, dass ich Teil einer Gruppierung bin, die nicht mehr State of the Art des Homo Sapiens ist und zunehmend von Jüngeren überholt wird, von deren Gehabe ich nicht mehr alles verstehe, die aber ihren Charme hat. Und zugleich versuche ich, nicht völlig den Anschluss an diese Jüngeren mit ihren Formulierungen und Interessen zu verlieren. Italian brain rots zum Beispiel. Wer zum Geier hat sich das wozu und in welchem Zustand ausgedacht? Aber ich atme durch und lasse die verstörenden Bilder vorbeiziehen. We listen and we don’t judge.
Vielleicht sollten wir das alle mal tun.
In diesem Sinne frohe Weihnachten und schöne Ferien ohne den Clash of generations!
* generationsübergreifend verständlich, wird aber der aktuellen Jugendsprache zugeschrieben (Stand: 2025).

