Ich hab solche Sehnsucht,
ich verliere den Verstand.
Ich will wieder an die Nordsee,
ich will zurück nach Westerland.
- Die Ärzte

(HO) Die Welt hat viele Enden. Und dieses ist besonders schön. Auch wenn wir es fast nicht erreicht hätten. Aber von vorn:

Nach den guten Erfahrungen vom letzten Mal in Münster beschließt der Jahrgang Humenik auch diesmal, sich nicht einmal zur Klassenfahrt zu trennen und fährt gemeinsam nach – Sylt! Basisdemokratisch legitimiert, raufen sich 88 Schülerinnen und Schüler sowie neun abenteuerlustige Lehrkräfte noch einmal zusammen und wagen die Mission Hörnum – unter der fachkundigen Anleitung und 24-Stunden-Rundum-Sorglos-Betreuung durch Frau Blanquett, die geduldigst auf jede Frage Rede und Antwort steht (auch mehrfach zur gleichen Frage), Busfahrpläne und Insidertipps in die Gruppe stellt und auch noch die notwendigen Gespräche mit dem Personal vor Ort führt. Dafür hat sich Frau Blanquett den ewigen Dank ihres Teams und ihres Jahrgangs verdient!

Überhaupt, der Jahrgang: Was machen die Heranwachsenden denn so während der Exkursionswoche? Sie lernen eine erste wichtige Lektion: Ein Fahrplan der Deutschen Bahn ist nur gut bis zum ersten Feindkontakt mit der Realität. So werden aus einmal Umsteigen dreimal und aus sechs Stunden achteinhalb. Die Schülerschaft trägt’s mit Fassung, solange WLAN und Fastfood verfügbar sind.

Warum eigentlich Sylt?! Wattwandern, Boot fahren und Muscheln sammeln kann man doch auch in heimischen Gewässern. Antwort: Nur Sylt hat Herrn Paulsen, behördlich genehmigter und im Watt geborener einheimischer Guide, Experte für alle drei Wattarten und oscarreife Darstellungen von spontanten Perlenfunden (Wirklich! Auf allen vier Wanderungen hat er eine gefunden!). Er war der heimliche Star der Klassenfahrt, ebenso wie die Pazifischen Felsenaustern und XXL-Strandkrabben, die die Aufmerksamkeit der Wattwandernden erregten. Ist eben alles nicht nur etwas teurer, sondern auch etwas größer hier als zu Hause. Zum Beispiel die Wellen am Traumstrand, in die wir uns zumindest für acht Minuten unter lebensrettender Aufsicht stürzen durften – sicherlich nicht die schlechtesten acht Minuten dieser Reise.

In der „Bretterbude“, einer Naturschutzstation mit Studentencharme, zeigen uns Herrn Paulsens natürliche Feinde, die Bufdis („Massentourismus ist das, was die da machen! Und behördliche Genehmigung haben die auch nicht!“), wie man Bernstein (aus Litauen importiert!) hübsch zurechtschleift und so aus jahrmillionenalten Fliegenfallen individuelle Souvenirs erstellt.

Ein anderes Souvenir der besonderen Art ist der Ausblick vom Schiff auf die Seehundbänke, deren neugierige Bewohner uns eine gute Show im Wasser bieten, gegen die das Referat des diensthabenden Naturschützers leider nicht ankommt.

 

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Klassenfahrt heißt immer auch an oder über Grenzen zu gehen. Ganz sicher jedenfalls die Grenze zwischen Klassen und Geschlechtern, mit allen Begleiterscheinungen. Die Grenze zwischen schmackhaft und eklig, demonstriert von Herrn Paulsen an Quellerpflanzen, Meersalat und Wattwurmkacke (Spoilerwarnung: Es ist nur Sand!). Die Grenze der körperlichen Belastbarkeit (sonnenverbrannt, übermüdet, unterernährt, mückenzerstochen, fußgeplättet), kaum von irgendjemandem erreicht, denn da geht immer noch a bisserl was, das zeigte nicht zuletzt die Strandolympiade, bei der die Klassen untereinander den Sieger im Wikingerschach, Sandburgenbauen, Flunkyball und vielen anderen Disziplinen ermittelten.

Nach absolvierten Erlebnissen flüchtet man sich in die Chilloutzone des Fünf-Städte-Heims (denn im Fünf-Sterne-Heim wohnen kann ja jeder!), optimal in der Mitte zwischen West- und Oststrand positioniert, das ein wenig Old-School-Flair verbreitet, ich sage nur: Pfefferminztee, Küchendienst, Etagenduschen und eine gestrenge Küchenchefin.

Dennoch bleiben ein paar Fragen offen: Heißen alle Wattwürmer Willi? Wie teuer sind eigentlich die Hobbithäuser in den Dünen? Ist der Edekamarkt wirklich der Nabel der Welt? Und schließlich: Wird es 2021 ein Wiedersehen der vier Klassen für ein Halleluja geben?