Schulinterne Lehrerfortbildung an der IGS Aurich
(HO) Auch Lehrerinnen und Lehrer lernen niemals aus. Zum Beispiel, wie man bekannten und neuen Herausforderungen im täglichen Miteinander in der Schule begegnet. Dazu traf sich das Kollegium der IGS Aurich am Freitag, dem 1.11. zu einer ganztägigen Fortbildung mit dem Thema „Umgang mit herausforderndem Verhalten im Schulalltag“. Organisiert wurde die Tagung von der Didaktischen Leiterin der IGS Aurich, Maike Kruse, in Zusammenarbeit mit dem Regionalen Pädagogischen Zentrum Aurich.
„Herausfordernde Situationen im Unterricht hat es immer gegeben“, stellte Renate Erdt, stellvertretende Schulleiterin der IGS Aurich, in ihrer Begrüßungsrede fest, „es liegt an uns, ihnen nicht hilflos gegenüberzustehen.“ Herausforderndes Verhalten von Schülerinnen und Schülern, das bedeutet auf der einen Seite hohe Fehlzeiten, die effektives Lernen sehr erschweren und von den Lehrkräften viel Beratung und Verwaltung verlangen. Auf der anderen Seite Distanz- und Respektlosigkeit, die den Lehrkräften ein hohes Maß an Durchsetzungsvermögen abfordern. Herausforderndes Verhalten hat viele Gesichter: Einige Schülerinnen und Schüler ziehen sich aus dem Schulleben zurück, was zu hohen Fehlzeiten führt, die Lernerfolge erschweren oder unmöglich machen. Andere legen Distanz- und Respektlosigkeit an den Tag, die den Lehrkräften ein hohes Maß an Geduld und Durchsetzungsvermögen abverlangen.„Wir stehen an einem Kumulationspunkt zwischen gesellschaftlicher Entwicklung und einer sich stark verändernden Schülerschaft“, so Erdt. Der daran anschließende Tag sollte den Lehrkräften der Schule das nötige Rüstzeug mitgeben (oder vorhandenes erneuern), damit umzugehen. Damit stellt sich die Schule der gesellschaftlichen Verantwortung, nämlich der Integration aller Schülerinnen und Schüler, auch solcher, die einen diagnostizierten Förderbedarf haben oder migrationsbedingt auf Sprachförderung angewiesen sind. In einer Zeit, in der immer häufiger von gesellschaftlicher Spaltung und Abschottung sozialer Milieus die Rede ist, ein absolut notwendiger Beitrag zur Förderung des Gemeinsamen.
Passend dazu sprach Werner Köhler, Förderschullehrer mit jahrzehntelanger Erfahrung, in seinem Eingangsreferat über Classroom Management – „Mitnanner utkamen“, wie es Sozialpädagoge Andree Uphoff treffend ins Plattdeutsche übersetzte. Das bedeutet vor allem Klarheit und Struktur für alle Beteiligten: wenige, aber klare Regeln, ein geordneter Klassenraum, verbindliche Ansprechpartner in Klassen- und Schulleitung. Aber auch positive Verstärkung des erwünschten Verhaltens. Dies würde häufig als selbstverständlich hingenommen und nicht gewürdigt, so Köhler: „Schule ist leider oft eine Fehlersuchmaschine.“ In seinem Vortrag griff der Förderschullehrer, der auch in leitender Position Verantwortung für Schulen getragen hat, immer wieder ganz lebensnahe Beispiele aus seinem Unterrichtsalltag auf: Die engagierten Junglehrer, die einen 21 Regeln umfassenden Katalog in ihrer Klasse einführen wollten, oder die sprichwörtlichen „Augen im Hinterkopf“ des Lehrers an der Tafel. Köhler stellte aber auch klar: „Man braucht andere Zeitvorstellungen von Entwicklung“, es brauche häufig Zeit, bis Veränderungen sichtbar würden.
Um ganz praktische Probleme und ihre Lösung ging es danach in verschiedenen Workshops zum Thema, denen sich die Lehrkräfte und auch das nichtlehrende Personal wie z.B. Schulbegleiter und –begleiterinnen zuordneten. Diese beschäftigten sich etwa mit Regelverletzungen und wie man ihnen begegnet, emotional-sozialen Auffälligkeiten bei Schülerinnen und Schülern, der Nutzung von Ritualen im Schulalltag oder der Förderung von Konzentration. Letztere vermittelte Marc Ubben, Diplom-Psychologe aus Esens, der mit einer erfrischenden Mischung aus kosmopolitischer Weltgewandtheit und ostfriesischer Klarheit seiner Workshopgruppe das Thema Konzentration in all seinen Facetten nahebrachte: Damit sich ein Schüler im Unterricht auf ein Thema oder eine Aufgabe einlassen kann, müssen nämlich viele Bedingungen erfüllt sein. Nicht nur das Zurechtkommen mit körperlichen oder seelischen Beschwerden spiele dabei eine Rolle, es gehe auch darum, sich gegen die „Konkurrenz von Reizen“ zu behaupten, die uns umgibt: Umgebungslärm, Unruhe im Klassenraum, Gedanken an das ersehnte Handy – all das abzuschirmen erfordere Selbstdisziplin, die sich über die Zeit wie ein Tank aufbrauche. Die Kunst der Lehrperson, so Ubben, bestehe darin, diesen Tank wieder zu füllen. Aber auch die Konzentration der Lehrkräfte machte der Diplom-Psychologe zum Thema. Oft genug liege diese auf wenigen Schülerinnen oder Schülern – in der Folge würden andere Geschehnisse im Klassenraum völlig übersehen, wie Ubben eindrucksvoll mit einem Experiment illustrierte.
Aber nicht nur die Lehrkraft als Einzelperson muss gestärkt werden – nachhaltiges pädagogisches Handeln kann nur in Zusammenarbeit zwischen Schule, Elternhaus und, falls nötig, externen Institutionen gelingen. Diese stellten sich auf Einladung der Didaktischen Leiterin im Anschluss an die Workshops den Lehrkräften vor: So präsentierte sich die Ostfriesische Landschaft mit der Bildungskoordinatorin Almut Hippen mit einem pädagogischen Programm zur gezielten Förderung von Jungen mit ihren ganz eigenen Bedürfnissen. Vertreten waren auch die IfI (Initiative für Intensivpädagogik), die AWO-Beratungsstelle für Kinder, Jugend und Familie, die Wohngruppen des Leinerstifts Großefehn, das Amt für Kinder, Jugend und Familie des Landkreises Aurich, Maike Roskam von der Drogenberatungsstelle Aurich sowie der schulpsychologische Dienst der Landesschulbehörde Niedersachsen. Alle Stellen informierten über ihre jeweiligen Dienstleistungen und Möglichkeiten, die Schulen bei ihrer täglichen Arbeit mit besonderen Herausforderungen zu unterstützen.
Zum Abschluss stellten noch einmal Vertreter aller Jahrgangsteams die Zusammenfassung der Arbeitsergebnisse im Plenum vor. Dabei schloss sich der Kreis zum Beginn des Tages, denn es wurde deutlich, dass alle Beteiligten sich klares und konsequentes Handeln im schulischen Miteinander wünschten, dass dazu ein jahrgangsübergreifender Konsens über Regeln und Maßnahmen notwendig ist, aber auch, dass bei allem Maßregeln ein positiver Umgang mit allen Schülerinnen und Schülern wichtig ist, um Vertrauen zu schaffen. Denn, das bestätigte auch der Eingangsreferent Werner Köhler, die Beziehung zwischen Lehrkraft und Schüler oder Schülerin sei eines der wichtigsten Elemente im schulischen Miteinander. Das Kollegium fühlt sich nun gestärkt, um gemeinsam mit den Herausforderungen umzugehen und den Schülerinnen und Schülern in ihrer Individualität und Heterogenität gerecht zu werden. Denn als Gesamtschule hat die IGS Aurich den Anspruch alle Schülerinnen und Schüler mit ihren Stärken und Schwächen optimal zu fördern und zu fordern, um sie zu dem für sie bestmöglichen Abschluss zu begleiten.
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