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„Ich bin hier nicht mit euch eingesperrt –
ihr seid hier mit mir eingesperrt!“
- Rorschach

„I’m a teacher – what’s your superpower?“

So steht es auf dem Funshirt, das ich einmal fast gekauft hätte. Ja, so sieht sich manche/r vielleicht gern – als Retter in pädagogischer Not, ausgestattet mit übernatürlichen Kräften und erstaunlichen Technikspielereien, um es mit jedem Gegner aufzunehmen und die Welt ein ums andere Mal zu retten. Zugegeben, den Direktvergleich mit Tony Stark, Clark Kent und Co. besteht dieser Tagtraum nicht eine Sekunde lang: Die Gadgets leisten, sofern vorhanden, nur gelegentlich ihren Dienst, schicke Kostüme gibt’s auch keine und dass man eine Lehrkraft rote Laser aus den Augen schießen sieht, dazu gehört auch bei Berufscholeriker*innen immer noch etwas Fantasie. Ließe man die Jugend ein freies Assoziationsspiel zum Thema „Superheld“ durchführen, würde der Begriff „Lehrer“ wohl irgendwo auf Platz Dreitausendfünfundneunzig landen, zwischen „Honigmelone“ und „Parkplatz“. Es gibt wohl nur wenige Berufsgruppen, die weniger cool sind als wir, machen wir uns nichts vor. Unsere Bewerbung bei S.H.I.E.L.D. würde wahrscheinlich noch vor Erreichen der Rundablage von radioaktiv verstrahlten Super-Posthunden zerfetzt werden.

Doch Moment! Wer sagt, dass Superkräfte immer mit Autos zusammenfalten und Stadtviertel abfackeln zu tun haben müssen?  Das scheint doch wohl eine Frage der Definition zu sein – und das beherrschen wir alle miteinander meisterlich, quasi als angeborene im Hintergrund wirkende Superkraft! Werfen wir also einen Blick auf ein paar Avengers-Anwärter der pädagogischen Zunft, denen ich in meinem Schulleben die Ehre hatte zu begegnen – diesseits und jenseits des Lehrerpults:

Da wäre z.B. der Storyteller, der jede Schulstunde durch das konstante Abfeuern von Sprüchen und Anekdoten zum Erlebnis werden lässt. Enthusiasma, der die Begeisterung für ihr Fach aus jeder einzelnen Pore trieft und auch die lustlosesten Schüler*innen wie ein Kraftfeld einhüllt. Funnygirl, deren Lach-Wellen einfach ansteckend sind und den manchmal einengenden Ernst des Schullebens vergessen lassen. Respectro, der schon beim Betreten eines Raumes eine ehrfurchtgebietende Aura verströmt, der sich niemand entziehen kann.

Einige Charaktere wirken auch im Hintergrund, etwa Mrs. Network, die immer über jedes große und kleine Problem ihrer Schüler*innen (und auch so manches Kollegen) im Bild ist und Lösungen wie ein Netz spinnen kann. Talkman, der allein mit der Kraft seines Wortes und seiner Stimme Konflikte zum Erliegen und renitente Schüler*innen zum Einlenken bringen kann. Optimus Paint, der das Medium Tafel wie kein zweiter beherrscht und darauf Lernlandschaften in Kreide entstehen lassen kann, die bei jedem Betrachter für spontane Erleuchtungserlebnisse sorgen. Und jeder von uns, der die Launen und Unmöglichkeiten eines pubertierenden Teenagers tapfer erträgt wie ein Dark Knight.

Bild Mr. HO 91kl

Denkt nach – jeder von euch kennt eine/n dieser Superhelden! Und sei es auch nur Improvisator, dessen Gabe es ist, beim Überqueren der Klassentürschwelle ein Stundenkonzept aus dem Nichts entstehen zu lassen, das auf den unbedarften Beobachter aber jederzeit wie ein von langer Hand vorbereitetes, durchkomponiertes Meisterwerk der Didaktik wirkt. Die Fähigkeiten dieser Red Pen League sind weitaus weniger spektakulär als Ironmans Fluganzug, Wolverines Klingen oder Magnetos, nun ja, Magnetkraft. Aber sie können etwas bewirken, wo andere versagen würden. Sie können den Unterschied zwischen einem mittelmäßigen Lehrervortrag und einer Sternstunde der Pädagogik ausmachen. Sie können für einige ihrer Schützlinge buchstäblich die Welt retten. Sie tragen kein Kostüm – wir müssen uns immer wieder die Mühe machen, sie zu erkennen. Und ihre Kräfte nutzen.

Ka-Pow!