Als Grundschulkind habe ich immer darum gebettelt, abends noch die Mainzelmännchen sehen zu dürfen. Und natürlich das, was zwischen den Mainzel-Spots lief, nämlich die Werbung! Aus heutiger Perspektive völlig unverständlich, wie sich jemand das freiwillig antun konnte. Wahrscheinlich lag es an diesen vielen Songs mit Ohrwurmcharakter, die so eine Wohlfühlatmosphäre erzeugt haben („Feierabend, wie das duftet…!“). Jedenfalls hat diese merkwürdige Sozialisation dazu geführt, dass Werbespots und Slogans immer noch mein Interesse erregen – vielleicht bin ich auch nur ganz normal und erliege wie wahrscheinlich 90% der Bundesbürger den Tricks der Reklamebranche. So komme ich jedenfalls nicht umhin zu bemerken, dass sich in den letzten zehn Jahren ein eindeutiger Trend in der Sloganliteratur herauskristallisiert, man könnte sagen, ein Baukastensystem für Unkreative, die keinen Euro für einen schmissigen Spruch mehr übrig haben: Am Anfang steht immer das „Wir“ – das soll den Gemeinschaftssinn und familiären Charakter des Unternehmens hervorheben. Danach kommt das Verb, es ist entweder „leben“, „lieben“ oder „sind“ – maximale Identifizierung und Emotionalisierung des Geschäftszweigs oder Produkts (seit neuestem kann man ja sogar Sachen „leben“, das ging früher gar nicht – ein grammatischer Geniestreich!). Und schließlich die Leerstelle, in die einfach alles eingefügt werden kann, von Mode über Lebensmittel bis hin zu Autos. Seinen absurd-komischen Höhepunkt erreicht diese Entwicklung aber auf der Seite „wetteronline.de“, die mit dem unfassbar genialen Spruch wirbt: „Wir lieben Wetter.“ Tja, wer wollte dem widersprechen? Ohne Wetter wäre ja auch irgendwie langweilig.
Was das mit Schule zu tun hat? Nur Geduld, ich komme schon dahin! Jede Schule hat ein Leitbild (sollte man zumindest haben, wenn die Inspektion kommt), zumindest aber ein Leidbild (und wieder der Wortspiel-Hölle einen Kreis nähergerückt), aber kaum eine hat einen Slogan! Und, machen wir uns nichts vor, aber Schulen stehen in Konkurrenz zueinander, wenn es um die Schülerzahlen geht. Was läge da näher als alle Register der Reklame zu ziehen, um die Aspiranten von der Qualität des eigenen pädagogischen Programms zu überzeugen? Und da der öffentliche Dienst nach dem Eklat mit der Niedersachsen-Punchline („Klar.“), die mit fast 46.000,- Euro zu Buche schlug, nicht mehr jeder Werbeklitsche den roten Teppich ausrollt, bietet sich der billige Baukasten doch geradezu an:
„IGS Aurich. Wir lieben Schüler.“ Wow, wer da nicht anmeldet, ist selber schuld!
Nein, Moment mal: Lieben wir etwa keine Schülerinnen? Wird da eine ganze Zielgruppe vernachlässigt? Und überhaupt, lieben wir Schüler? Ernsthaft? Da rückt man uns doch sofort in eine ganz falsche Ecke! Okay, dann halten wir uns nicht mit der Vorspeise auf und denken groß:
„IGS. Wir sind Schule.“ In your face, Gymnasium!
Wieso das denn? Wir sind EINE Schule, wir sind nicht mal DIE Schule, geschweige denn sind wir Schule! Und Gymnasium-Bashing geht auch gar nicht!
Nun gut, dann vielleicht: „IGS Aurich. Wir leben Differenzierung.“ Prägnant, modern, seriös!
Möööp! Durchgefallen, keine Fremdwörter, viel zu sperrig!
Puh, scheint wohl doch nicht so einfach zu sein, der Baukasten. Also offenes Brainstorming:
„Schule macht Spaß – Spaß macht Schule“. Auweia.
„IGS. Nichts ist unmöglich.“ Gab’s das nicht irgendwo schon mal…?
„IGS Aurich. Klar.“ Oh, come on!
Abbruch! So langsam wird klar, warum das mit Werbeslogans für Schulen so eine verdammt knifflige Sache ist. Vermutlich wird für uns weiterhin Werbung per Mundpropaganda, basierend auf gutem Unterricht der einzig gangbare Weg sein, nach dem Motto „Advertising by teaching“.
Hey, das wäre doch ein guter Slogan!