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Niemand ist eine Insel, sagt der Dichter John Donne. Aus Schülersicht aber sind wir Lehrkräfte Inseln. Jetzt vielleicht nicht Ibiza oder Mallorca. Mehr so Langeoog. Ganz nett, kann man sich mal geben und zur Not ist man in einer Stunde wieder auf dem Festland.

Wir sind Inseln, die offenbar nichts miteinander zu tun haben. Pause zu Ende (früher noch mit gutem und bösem Gong, die Älteren erinnern sich), dieselbe Klasse, der nächste Herr oder Dame, altes Buch weg, neues her, von Shakespeare zur Singdrossel, von Faust zum Fallgesetz, von Pythagoras zu den Passatwinden. Die Lehrkraft erscheint irgendwie aus dem Nichts (womöglich aus dem Schrank, in dem sie in der Schule wohnt und nach Unterrichtsschluss vom Hausmeister wieder zurückgestellt wird) und beginnt mit dem Thema, das selbstredend oberste Priorität und maximale Aufmerksamkeit genießen muss, denn es ist ja das Wichtigste, was die Schülerschaft heute mitnehmen soll. Was könnte es sonst noch Relevantes geben außer MEINEM Fach? Ist dann die Sicherung gelungen und in der Mappe verschwunden, grüßt die Lehrkraft zufrieden zum Abschied und gibt dem oder der Nächsten die Klinke in die Hand.

Und hier beginnt nun der entscheidende Denkfehler auf Schülerseite: Die Vermutung, wir Lehrkräfte seien Inseln. Nicht einfach nur Inseln, sondern Inseln wie Südpolynesien, wo man es aufgegeben hat, von einem Eiland zum nächsten zu paddeln, einfach weil es viel zu lange dauert. Wie äußert sich das?

Planvoll störendes Verhalten im Unterricht wird auf dreiste Weise von Stunde zu Stunde fortgesetzt – das Opfer, das da vor der Tafel steht, ist ja immer wieder ein anderes! Ein aufrichtiger Schock folgt dann, wenn man ankündigt, mal mit der Klassenlehrerin darüber zu sprechen: „Sagen Sie das etwa weiter?!“ Oder andersherum, gleich mal zu Stundenbeginn in die Runde geholzt: „Euer Klassenlehrer hat zu mir gesagt, über die Hälfte von euch kann noch keine Bruchrechnung!“ Ungläubiges Staunen auf allen Bänken: „Unser Klassenlehrer kennt Sie?!“

Bisweilen versteigen sich einzelne Schülerinnen und Schüler sogar dazu, über Lehrerkolleginnen und –kollegen zu lästern: „Herr Soundso hat mich schonmal ‚Penner‘ genannt!“ – „Frau Dingenskirchen redet meistens die Hälfte der Stunde über ihr Wochenende!“ – „Ach, der Herr Hastenichgesehn, bei dem hab ich zirka NICHTS gelernt!“. Meistens lösen solche Wortmeldungen eine Kettenreaktion aus: Jeder hat noch einen, den er zum Besten geben will, jeder hat mal etwas Ähnliches erlebt und niemand denkt auch nur eine Sekunde daran, dass die Lehrkraft, die sich das gerade halb belustigt, halb befremdschämt anhört, nach der Stunde einfach im Lehrerzimmer das überaus prall gefüllte Nähkästchen öffnen könnte!

 

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Hey, Schüler, mal zum Mitschreiben oder wenigstens zum Abfotografieren – ja, das ist klausurrelevant: Wir Lehrer reden miteinander! Und zwar nicht zu knapp! Dank euch entstehen in unseren Gesprächen keine peinlichen Lücken, weil es immer ein Thema gibt, über das man beraten, Stirnen runzeln, lamentieren oder – ja, ich gebe es zu – auch mal lachen kann! Manchmal müssen wir uns sogar gegenseitig daran erinnern, aufzuhören, über euch zu reden (weil z.B. gerade Weihnachtsfeier, Grillabend oder Sommerferien sind). Wir sind keine Inseln, wir sind Inselketten! Zumindest solche, wo man mit dem Jetski oder der Cessna in fünf Minuten mal eben rüberhoppen kann. Um die Metapher mal auf die Spitze zu treiben: Klar, es gibt auch welche wie Tristan da Cunha (guckt das mal im Diercke nach!) und manche glauben, sie sind Australien (bin ich noch Insel oder schon Kontinent?), aber insgesamt könnt ihr davon ausgehen, dass wir an einem Strang ziehen, wenn es um eure Bildung geht! Gut, manchmal ziehen wir von verschiedenen Seiten, aber die Message ist klar: Wir sind vernetzt und das nicht erst seit Facebook und Co. Um mit Jesus zu sprechen: Den Unterricht, den ihr bei den geringsten unserer Brüder und Schwestern gestört habt, den habt ihr bei uns gestört!