Stillstand ist der Tod,
geh voran, bleibt alles anders.
- Herbert Grönemeyer
Kopf durchgepustet, Serotonin auf Maximum und das Phrasenschwein ist gut gemästet – optimale Voraussetzungen für die neue Staffel, inbesondere fürs Auftaktmatch, denn das will man ja ungern verlieren. Und gerade bei dem heiklen Thema „Veränderungen im Schulleben“ ist immer mit der einen oder anderen Binse zu rechnen, zum Beispiel dieser hier: Der Mensch im Allgemeinen und die Lehrkraft im Besonderen ist ein Gewohnheitstier. Gerade hat man sich mit dem Stundenplan, den Lerngruppen, den Aufsichten, den Kolleginnen und Kollegen arrangiert, bums, ist das Schuljahr schon wieder um und man muss sich wieder umgewöhnen: „Ein neuer Kollege im Jahrgangsteam? Och nöö, der kriegt aber nicht meine Stunden!“ – „Ein neuer Kurs? Och nöö, dann kann ich meinen alten nicht weiterführen!“ – „Ein zweiter Nachmittag? Och nöö…!“ [Text auf Anordnung des Ministry of Manufactoring Consent aus Gründen der Imagewahrung und zu befürchtenden Abschreckung neuer Lehrkräfte gekürzt.]
Ein besonderer Moment, in dem die Veränderung von Luftschlössern zu handfesten Alpträumen gerinnt, ist immer die Versendung des neuen Stundenplans Mitte der Sommerferien. Innerhalb von Minuten tauchen in der Jahrgangsgruppe die ersten Heul- oder gar Totenkopfsmileys auf. Oder dieser allgegenwärtige Affe, der sich die Augen zuhält, als wolle er sie vor der harten Realität verschließen, die da lautet: Raus aus der Komfortzone! Denn dort, geben wir es zu, halten wir uns gerne auf: Bekannte Namen, Listen, Arbeitspläne, so lässt sich das Schuljahr zwischen den Ferien aushalten.
Dabei reicht nur eine leichte Veränderung des Blickwinkels: „Besser auf neuen Wegen etwas stolpern als auf alten Pfaden auf der Stelle treten.“ Ich weiß, dafür komme ich irgendwann in die Kalenderspruch-Hölle. Doch was der ewig weise Chinese uns hier zu vermitteln versucht, ist nichts weniger als die Quintessenz der Kunst, ein Arbeitsleben nicht nur hinter sich zu bringen, sondern vielleicht sogar ein wenig Spaß dabei zu haben.
Stolpern heißt ja nicht hinfallen. Man kommt nur kurz aus dem Rhythmus, das Herz macht ein paar Pumpzüge mehr, aber dann ist man wach. Und bereit für das, was da kommen mag: 25 unbekannte Namen, von denen man neun noch nie gehört hat? Vielleicht eine Chance, interessante Persönlichkeiten kennenzulernen! Ein neues Abiturthema, bedingt durch eine KC-Novelle? Sehr gut, raus aus dem ewigen Themenkarussell! Unterricht in einem anderen Jahrgang? Eine gute Gelegenheit, einige Kolleginnen und Kollegen besser kennen zu lernen! Betreuung eines Praktikanten von der Uni? Eine echte Chance, den eigenen Unterricht durchzulüften und dem unverstellten Blick eines Berufseinsteigers auszusetzen!
Denn nichts ist ja von Dauer. Selbst die beste Klasse der Welt muss irgendwann mit dem Zeugnis in der Hand von der Bühne abtreten, jeder Naturwissenschaft-WPK hat irgendwann abgewirtschaftet, die chilligste Aufsicht wird irgendwann langweilig. Warum also Altem nachweinen?
Und die Veränderungen sind nicht auf den Mikrokosmos Lehrkraft beschränkt – vor unser aller Augen entsteht gerade die größte Veränderung der letzten 20 Jahre. Und damit meine ich nicht nur das neue Schulgebäude. Die Frage ist, wie jeder einzelne und wir alle als Gruppe damit umgehen. Ist das Glas halb leer, halb voll oder nur doppelt so groß, wie es sein sollte? Hauptsache Veränderung – alles andere wäre doch stinköde!