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I’m just a copy of a copy of a copy.

Everything I say has come before.

- Nine inch nails, Copy of a

 

Ich bin ein Lama.

Das ist schulinterner Fachjargon und bedeutet „Lehrkraft für LAtein und MAthematik“. Riesengag.

Als Lama erhält man auf jeden Fall immer eine Reaktion, anders als z.B. Deutsch-Geschichtler*in (sorry, für die gibt es keinen Fachbegriff). Im ersten Moment meistens etwas wie „Wow, krass!“ und nach drei Sekunden Nachdenken dann aber auch Verständnis: „Ah ja, hat ja auch beides irgendwie mit Logik zu tun!“

Exakt. Ist für mich aber weniger relevant. Viel wichtiger ist der Umstand, dass – und das ist mir tatsächlich erst im Schuldienst klar geworden – beide Fächer gewissermaßen „fertig“ sind. Abgeschlossen im Sinne von: Da können wir einen Haken hinter machen, da wird sich so bald nichts Neues mehr finden. Am Thesaurus Lingue Latinae wird zwar auch nach 120 Jahren (!) noch gearbeitet (man ist gerade beim Buchstaben „R“), aber große Überraschungen werden da nicht mehr kommen, da bin ich mir ziemlich sicher. Und auch das mathematische Universum expandiert zwar stetig, aber die Schule verwendet keine Teleskope, sondern Lupen. Fazit: Kannste es einmal, kannste es für immer. Was enorme Vorteile hat und zu Beginn meiner Laufbahn habe ich Vertreter*innen anderer Fächer heimlich bedauert: Die armen Politiklehrkräfte – schon wieder ein neuer internationaler Konflikt, schon wieder neue EU-Länder, schon wieder ein Boris Johnson. Oder im Fach Deutsch: Da wird wieder mal eine neue Lektüre auf den Schild gehoben, mit der man sich anfreunden muss. Und die Geschichte hört ja auch nicht auf zu laufen. In meinem Politikkurs lautete 1999 ein Semesterthema noch „Die neue Strategie der NATO“, denn der Kalte Krieg war ja vorbei. Ich schätze, das Material zu der Unterrichtseinheit konnte mittlerweile eingestampft werden.

Jetzt aber, im Jahr 2022, stellt sich so langsam ein gewisser Sättigungsgrad bei mir ein. Denn bei sich nicht veränderndem Schulstoff hört man hin und wieder die gleichen Antworten und Aussagen im Unterricht, muss sich aber gleichzeitig daran erinnern, dass die lieben Kinderchen das alles gerade zum ersten und nicht zum hundertsten Mal lesen. Ja, schlimm, was Verres den Einwohnern von Sizilien angetan hat. Richtig, im dreidimensionalen Raum gibt es noch eine Möglichkeit, wie zwei Geraden zueinander liegen können. Aber der Kick bleibt aus und die dazugehörige Euphorie angemessen zu verströmen, nötigt meiner Schauspielkunst zusehends mehr ab. Was tun?

Der Schlüssel heißt: Anforderungsbereich Römisch Drei. Wie erklärt man das am besten? Stellt euch drei Türen vor: Die erste ist aus Holz und steht offen. Man muss nur durchgehen. Das ist der Anforderungsbereich I: Zusammenfassen und Wiedergeben. Als nächstes kommt eine Metalltür mit einer Klinke, die mit ein wenig Körperkraft heruntergedrückt werden muss – Anforderungsbereich II: Selbständiges Ordnen, Erklären und Anwenden auf neue Sachverhalte. Und dann ist da noch die dritte Tür. Sie ist in eine Felswand eingelassen und auf den ersten Blick gar nicht als solche zu erkennen. Man muss da irgendwo einen Schalter finden, damit sie aufgeht. Die meisten Menschen gehen achtlos vorüber, aber einige suchen gewohnheitsmäßig nach solchen Schaltern. Das ist Anforderungsbereich III: Der „umfasst die selbstständige systematische Reflexion und das Entwickeln von Problemlösungen, um zu eigenständigen Deutungen, Wertungen, Begründungen, Urteilen und Handlungsoptionen sowie zu kreativen Gestaltungs- und Ausdrucksformen zu gelangen“*. Ja, genau das hätte ich gerne. Nicht das stumme Abnicken und Abschreiben. Sondern eigene Denkansätze: Ist Verres so etwas wie der Trump der Antike? Steile, aber geile These! Gäbe es in vier Dimensionen noch eine weitere Lagebeziehung zweier Geraden? Ich spüre förmlich, wie die Synapsen anfangen zu funken! Also ist auch aus altgedienten pädagogischen Packeseln noch etwas Neues herauszuholen. Sehr tröstlich. Mal sehen, ob das bis zur Rente reicht.

* KMK-Definition

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