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Niemand, wirklich niemand, der es nicht unbedingt muss, verbringt seine Freizeit gern mit Lehrerinnen und Lehrern – es sei denn, man ist selbst eine(r). Okay, nun, da ich eure Aufmerksamkeit habe: Das ist natürlich Quatsch. Aber jeder Quatsch hat auch einen wahren Kern, oder wie geht das Sprichwort nochmal?

Was also könnte eventuell vielleicht unter Umständen gegebenenfalls bei privatem Kontakt mit Lehrkräften abschreckend wirken?

Zunächst einmal lassen diese mehr als andere Berufsgruppen im Privatgespräch selten Zweifel an ihrer Profession aufkommen. Erste Verdachtsmomente kommen bei kleineren sprachlichen Verbesserungen auf: „Es müsste Spaaandsch-Bob heißen, nicht Spondsch-Bob!“. Auch Besserwissereien und ungefragtes unnützes Wissen werden gerne ins Gespräch eingeflochten: „Kaum jemand weiß ja, dass Peter Lustig gar kein Kinderhasser war!“. So richtig doll läuten die Alarmglocken aber, wenn das sprichwörtliche Fass aufgemacht und daraus ordentlich eingeschenkt wird. Der Gesprächspartner weiß dann, er sich in den nächsten zehn Minuten nichts vornehmen muss, denn es ereilt ihn: der Monolog. Häufig begleitet von raumgreifender Gestik und einem unangenehm-klebrigen Blickkontakt, der sagen will: „Hörst du mir auch zu?“, redet sich der Pädagoge (manchmal auch die Pädagogin) zu einem beliebigen Thema in Rage, ganz gleich, ob sein Gegenüber seine Ausführungen interessieren oder nicht. Einwände sind hier völlig fehl am Platz, wir sind mitten im LV (Lehrervortrag, so nennt sich die schulisch legitimierte Form dieses Sermons im Unterrichtsentwurf).

Ganz großes Kino kann man in Runden erleben, in denen mehrere Lehrende anwesend sind (das Partizip darf hierbei wörtlich verstanden werden), die sich nicht scheuen, die ganz großen Themen anzupacken. Da fallen dann Sätze wie die folgenden: „Man muss sich ja nur mal angucken, was die Chinesen machen!“ (gerne auch „der Chinese“, das zeugt offenbar von besonderer Fachkompetenz). „Da müsste einfach mal jemand mit dem richtigen Background ran.“ (vielleicht wüsste der Sprecher ja jemanden?) Oder auch: „Das war mir von Anfang an klar, dass das nicht funktionieren würde!“ (Hättest du doch etwas gesagt!)

Zudem scheint es für lehrendes Personal schwierig zu sein, bei Begegnungen mit ihresgleichen im privaten Umfeld für längere Zeit nicht über ihren Beruf zu sprechen. Der Elefant im Raum sitzt von Anfang an mit am Tisch und man bemüht sich krampfhaft, ihn mit Knabbereien, gehaltvollen Getränken und zusammengerafften Alternativthemen (Urlaub? Anreise? … ääh, Familie?) unter Kontrolle zu halten. Aber der Elefant ist wie das alternde Familienoberhaupt an der Kaffeetafel: Er kann warten, bis seine Stunde gekommen ist. Und dann legt er so richtig los. Das ist der Moment, wenn eine kurze Gesprächspause entsteht, die sich dann irgendjemand zu füllen genötigt sieht, aber womit! Es genügt schon eine dahingeworfene Bemerkung wie: „Ach, noch drei Wochen, dann sind wieder Ferien!“ Irgendjemand wird das aufgreifen und eine Begründung liefern, warum auch er dringend in drei Wochen Ferien braucht. Und überraschenderweise finden dann immer alle einen solchen Grund bei sich! Was wiederum zu den Hintergründen der Begründungen führt, die wiederum zu Exkursen, die wiederum zu Anekdötchen, die wiederum zu dienstlichen Anfragen – tadaaa, der Elefant hat die Macht übernommen!

In solchen Momenten frage ich mich immer, wie es Ehepaare halten, in denen beide Partner der lehrenden Zunft angehören: Sperren Sie den Elefanten konsequent aus und klemmen einen Stuhl unter die Klinke? Stellen sie das Kommunizieren weitgehend ein? Oder gehen sie voll und ganz auf in ihrer professionellen Gemeinsamkeit?

Da lobe ich mir meine nicht lehrende Ehefrau: Außerhalb des Arbeitszimmers kann ich den Beruf Beruf sein lassen. Und in Runden mit Kolleg*innen ist man regelrecht überrascht: „Deine Frau ist doch sicher auch Lehrerin! – Was, etwa nicht?!“ Und schon dem Elefanten wieder ein Schnippchen geschlagen.

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