Ja, herzlich willkommen, liebe Schülerinnen und Schüler, zu unserer heutigen Fortbildung mit dem interessanten, aber leider oft wenig beachteten Thema „Umgang mit heterogenen Lehrgruppen“. Vielleicht als Einstieg mal eine Frage in die Runde: Wer glaubt, dass das Lehrerkollegium an seiner Schule in Bezug auf Diagnosefähigkeit, Gestaltung des Lernprozesses, Bewertungskriterien, pädagogische Methoden etc. eine homogene Zusammensetzung hat?

Ach, ja, sehen Sie, einer ist immer dabei. Tut mir leid, dass ich Sie nun Ihrer Illusionen berauben muss, aber das homogene Kollegium ist ein Mythos, den man Ihnen womöglich beim Wechsel auf die weiterführende Schule eingetrichtert hat, hm? Im Grunde gibt es so viele Lehrertypen wie Menschen – ich weiß, das wirkt erstmal abschreckend, schließlich weiß man gar nicht, wie man sich als Schülerin oder Schüler mit so einer neuen Lehrkraft verhalten soll. Man kann aber zwei Extremtypen identifizieren, die ich Ihnen im Folgenden einmal kurz vorstellen möchte.

Da gibt es zum einen den Typ Pestalozzi-Ultra – da brauchen Sie da hinten gar nicht so zu grinsen – der an Gesamtschulen noch recht häufig anzutreffen ist. Er zeichnet sich insgesamt durch seine verinnerlichte Verständnishaltung gegenüber allen Problemen und Widernissen des Schülerdaseins aus. Für ihn gibt es keine schwachen Schüler, sondern nur schlechte Erziehungsbedingungen (getreu dem Motto: Wenn es regnet, zieh einfach die Regenjacke an!), sind schlechte Schülerleistungen immer nur Symptom, nie eigentliches Problem. Schwieriges Elternhaus, problematische Gruppenzusammensetzung, ungefestigtes Selbstbild, fehlender Eigenehrgeiz durch Projektion von außen, depressiver Grundtyp – es gibt praktisch immer eine Erklärung, die für die momentan gerade nicht so positive Entwicklung des Leistungsbildes herhalten kann. Dementsprechend kämpft der Pestalozzi-Ultra auch jederzeit dafür, dem betreffenden Schüler noch alle Chancen einzuräumen, denn er sei ja gerade noch auf dem Weg, sich selbst zu finden – was zuweilen für absurde Szenen sorgt („Gebt dem Kind doch noch die Chance, im zweiten Halbjahr der zehnten Klasse in den Mathe-E-Kurs zu wechseln!“).

Im Umgang mit diesem Typus gebe ich Ihnen den Rat, die Schwierigkeiten, die Sie am Lernen hindern, möglichst deutlich zu artikulieren und das Problem damit ganz der Lehrkraft zu überlassen. Außerdem gilt die Grundregel: Möglichst tiefstapeln – umso größer erscheinen die Lernfortschritte, wenn Sie dann späterhin richtig loslegen.

Auf der anderen Seite der nach oben offenen Strengeskala steht der Typ Kaiser-Wilhelmianer, eher im gymnasialen Milieu angesiedelt. Er strebt nach der Perfektionierung der eigenen Kontrolle über Ihren Lernprozess – zu seinen Bedingungen. 

Da werden schon Bagatelldelikte wie das nicht doppelte Unterstreichen einer Lösung zur Grundlage von Elterngesprächen, bei einem fehlenden Bleistift ist der Abschluss gefährdet, und „ne Eins hat bei mir noch nie jemand bekommen“ – Sie wissen, wovon ich rede.

Die richtige Strategie im Umgang mit dem Wilhelmianer ist die Verlagerung auf das Schriftliche – sehen Sie von mündlichen Beiträgen ab, da alles, was Sie sagen, direkt gegen Sie verwendet werden könnte. Konzentrieren Sie Ihre ganze Energie auf Heft- und Mappenführung und beten Sie, dass Sie gut durch die Tests kommen.

Natürlich kommen die beiden Extremtypen nur selten in Reinform vor, das ist ganz klar, aber es gibt kleine Details, auf die man als Schülerin oder Schüler achten kann, um in etwa einschätzen zu können, mit wem man es hier zu tun hat. Die wahre Kunst liegt dann im „Umschalten“ von einer Stunde zur nächsten, denn die verschiedenen Lehrertypen brauchen natürlich ganz unterschiedlich viel Aufmerksamkeit. Am wichtigsten aber ist, und damit möchte ich schließen: Keine Panik! Wenn es mit der Abstimmung auf die einzelnen Lehrertypen am Anfang noch nicht so gut klappt, ist das kein Beinbruch.

Wenn Sie mir eine kurze Rückmeldung geben würden, wie das Ganze in Ihrem Unterricht klappt, würde ich mich freuen. Vielen Dank!