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Wie es der Brauch so will, gewanden sich der Schüler und die Schülerin, die im Begriff sind, die Schule nach zehn oder dreizehn Jahren zu verlassen, in den finalen Wochen ins Abschluss-Shirt, seit einiger Zeit auch in Abschluss-Hoodies, Abschluss-Festivalbändchen, Abschluss-Sonnenbrillen, you name it.*

Die Parolen, die der Schulöffentlichkeit hier in textiler Form präsentiert werden, sind scheinbar seit Jahren dieselben. Doch das waren sie nicht immer. Der aufmerksame Beobachter erinnert sich an eine Zeit, als der Markt „Schulabschluss“ noch nicht erschlossen war. Es lohnt sich also ein Blick in die Historie.

In grauer Vorzeit waren es wohl die Abiturienten der Gymnasien, die damit anfingen, zum Schulabschluss, als „alles egal war“, weil die Tinte auf den Zeugnissen schon trocken war, T-Shirts mit Sponti-Slogans zu beschriften und während der verbleibenden Schulzeit zu tragen. Diese Sprüche zeugten vor allem von Freiheitsliebe („13 Jahre unschuldig gesessen“) oder kokettierten damit, während der Schulkarriere nichts gelernt zu haben („Nun steh ich hier, ich armer Tor,…“). Überhaupt ging es bei den Sprüchen in erster Linie darum, kleine Brötchen zu backen und sich selbst, höchstens aber die Lehrkräfte ein wenig durch den Kakao zu ziehen. Mein eigener Jahrgang 2000 z.B. hatte die Idee für den doppelbödigen Slogan „Deutschland entlässt seine Zukunft“. Mit auf der Liste stand außerdem „Wir sind Tade(l)los!“, da uns als letzter Goldbach-Jahrgang der damals neue Schulleiter Tade-Wilhelm Risius erspart geblieben war. Geworden ist es letztendlich keiner der beiden. Wahrscheinlich war der Druck als Millenniumsjahrgang einen Riesengag zu landen – „Abilennium“ hatte Jahrgang `99 schon für sich beansprucht – einfach zu groß. Bezeichnenderweise markiert gerade mein eigener Jahrgang den Übergang zur postintellektuellen Ära: Große Enttäuschung allerorten, als die T-Shirts vom Versand geliefert wurden, versehen mit einem Stern auf dem Rücken, drumherum das Motto: „Auch Stars müssen mal gehen“. Uff. Da war sie nun in der Welt, die verhasste Zeile, die allen ihre Sicht von Abiturienten als arrogante Möchtegern-Schlaubi-Schlümpfe bestätigte. Darüber konnte auch das selbstgemachte Graffiti nicht hinwegtäuschen, das vorne auf dem T-Shirt prangte.  

Wie sich zeigte, war das aber nur der Anfang einer Welle von Selbstüberschätzungsparolen. Wer heute auf den einschlägigen Internetportalen sucht, findet Sprüche wie diese hier: „Wenn Götter gehen“ – „Das Zeugnis in den Händen – nun sind wir Legenden!“ – „Macht Platz, ihr Narren! Die Könige verlassen den Hof!“ – „Heute Hugo, morgen Boss“. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Sich wie ein König, Held oder meinetwegen Gott zu fühlen – in Ordnung. Aber wieso diese Von-oben-herab-Attitüde? Geht’s nicht eine Nummer kleiner? Immerhin haben die Träger dieser Shirts meist nur bewiesen, dass sie die Grundrechenarten beherrschen und nach der Lektüre eines Textes in etwa wissen, was darin steht. Für meine Begriffe scheint da die Apotheose verfrüht. In eine ähnliche Richtung, aber immerhin mit noch ein paar Sympathiepunkten geht „Vom Chabo zum Babo“ (Realschule, 2016).

 * siehe auch Episode 8: Yeah, yeah und nochmals yeah!
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Im Schatten der Götter- und Heldenwelle entwickelte sich jedoch noch ein zweites Genre von Abschluss-Shirts, das den Feieraspekt des Abschlusses in den Vordergrund rückte, sprich: Saufen! Früh übt sich, wer mal ein begeisterter Mallorca-Junggesellen-Kegelclub-Scheißegal-Mitstreiter werden will. Meist genügt es, die bekannten Alkohollogos (sprecht das Wort mal mit 2 Promille aus!) ein wenig zu verfremden und „Abschluss XXXX“ drunterzuschreiben. Wem das nicht reicht, der springt auf den dritten Trend im Abschlussbusiness auf: Brands, brands, brands! Die markenbewusste junge Generation möchte auch am schönsten Tag ihres bisherigen Lebens nicht in Sack und Asche gehen und zumindest optisch den Eindruck erwecken, als Fashion Victim unterwegs zu sein. Gleiches Prinzip wie bei den Schnapsflaschen: Man nehme ein hinreichend bekanntes Fashionlabel und bringe irgendwo die Buchstaben ABI oder ABS unter.

Das überbordende Angebot auf dem T-Shirt-Markt führt zu unzähligen unseligen Diskussionen, die wochenlang die Tagesordnungen der Klassenstunden verstopfen, bis dann am Ende doch der kleinste gemeinsame Nenner gewählt wird. So geschehen in meinem Jahrgang vor drei Jahren – Ergebnis: „Wir rasieren den Durchschnitt“. Da denkense mal drüber nach. Was soll das bedeuten? Wir machen den Durchschnitt klein, also gut? Oder wir verunstalten den Durchschnitt, weil wir so schlecht sind? Da weht doch ein Hauch von Old School (Wortspiel nicht beabsichtigt) herüber. Ich warte jedenfalls gespannt aufs Frühjahr. Denn dann tragen die Jungs und Mädels, die class of `16, wieder Abschluss-Shirts. Mal sehen, was der arme Durchschnitt dann wieder mitmachen muss.