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Einen nicht unwesentlichen Teil des Referendariats verbringt die angehende Lehrkraft damit, in den eigenen Unterricht (besonders in den Besuchsstunden) möglichst viele verschiedene Methoden einzuflechten. Variatio delectat, wie der Franzose sagt, und so wird von Lerntempoduett über Schreibkonferenz bis zur Freiarbeit alles reingepackt in die Stunde, was das Methodencurriculum so hergibt. Sinnhaftigkeit einzelner Methoden ist dabei sekundär, solange der Fachleiter zufrieden nickt. Und so sind nach dem letzten Händedruck manche Methoden auch das erste, was in die didaktische Rundablage wandert. Bei mir war es, ich gebe es ehrlich zu, der stumme Impuls. Ich komme mir einfach wahnsinnig dämlich vor, eine Grafik aufzulegen oder auch nur ein Wort anzuschreiben, vielsagend in die Runde zu lächeln und mich demonstrativ schweigend ans Fenster zu stellen, um die Lerngruppe den kognitiven Anstoß machen zu lassen. Warum? Weil ich, sagen wir mal, nicht restlos vom Erfolg dieses Konzepts überzeugt bin, da oft wertvolle Minuten – Hilbert Meyer, vergib mir! – mit Aus-dem-Fenster-Gucken, Hilflos-den-Lehrer-Angucken oder Gar-nicht-Gucken verstreichen. Andere Kollegen sind allergisch gegen Gruppenpuzzle, bekommen angesichts der drohenden Reibungsverluste beim geräuschvollen Umgruppieren („Wo soll ich hin? Wo ist in Ihrer Zeichnung das Fenster?!“) und Informationsaustausch innerhalb von zwanzig Sekunden („Seid ihr schon fertig?!“ – „Ja, alles geklärt.“ – „Auch alles notiert?!“ – „Oh…“) Schnappatmung. Ich kann damit leben. Hin und wieder aber nagt auch an mir der Zweifel. Ist der Methodenkanon, den man ans Herz gelegt bekommt wie die frischgebackene Mutter die Stillempfehlung, wirklich das pädagogische Gold, als das er angepriesen wird, oder doch nur Strass (und obendrein Stress)?

Welch Offenbarung erlebt man, führt man sich die Forschungsergebnisse des neuseeländischen Professors John Hattie zu Gemüte, der viele pädagogische Studienergebnisse zusammengefasst und verschiedenste Aspekte von Schüler/Schülerin, Erziehung und Schule zu einer Größe gebündelt hat, der sogenannten Effektstärke. Kurzgefasst: Eine Effektstärke von 0,4 ist das, was ein Schüler/eine Schülerin durch simples Älterwerden an Reife oder Leistungsvermögen dazugewinnt. Andersrum überlegt: Jede Methode, die für sich in Anspruch nimmt, der heilige Gral der Wissensvermittlung zu sein, sollte tunlichst eine Effektstärke von mehr als 0,4 haben. Here we go: Freiarbeit: 0,04; offene Lehr- und Lernformen: 0,01; Interne Differenzierung: 0,16; Webbasiertes Lernen: 0,18; Hausaufgaben: 0,29; Forschendes Lernen: 0,31.*

Autsch.

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Zwar kamen nach der Veröffentlichung von Hatties Studie die Kritiker hervorgekrochen und warfen ihm unsauberen Umgang mit Statistiken vor, doch den Geist bekommt niemand mehr in die Flasche.

„Ha!“, hört man im Geiste die Kaiser-Wilhelmianer** triumphieren, „ich hab’s doch immer gewusst! Der gute alte Frontalunterricht ist immer noch das Beste!“ Und sogar einige Erfahrungen mit den zu Unterrichtenden scheinen das zu bestätigen: Der Methodenzirkus ist oftmals unerwünscht, viele wollen einfach die Tafel abpinnen, die zugehörige Übungsaufgabe bearbeiten und gut ist. Ich erinnere mich an meinen eigenen Bio-Lehrer, der damit drohte, uns nur noch die Tafel vollzuschreiben, wenn wir nicht leiser wären – und mehr als einer dachte: „Bitte, tu das!“

Was aber legt uns Hattie sonst nahe, was sind die Blockbuster der Pädagogik? Zum Beispiel diese hier: Lernen in Kleingruppen: 0,49; kooperatives Lernen: 0,54; Lehrer-Schüler-Beziehung 0,72; metakognitive Strategien: 0,69; Feedback: 0,73; Klarheit der Lehrperson: 0,75 und right at the top: Selbsteinschätzung des eigenen Leistungsniveaus: 1,44*. Zusammengefasst: Lehrer und Schüler sollten möglichst viel miteinander über den Lernfortschritt reden und Schüler in Kleingruppen miteinander arbeiten. Vergiss den stummen Impuls. Pack das Gruppenpuzzle in den Karton. Schließe die Schreibkonferenz. Und dann rauf auf die Metaebene!